Als Einzelunternehmer genieße ich das ausgesprochene Privileg, tun und lassen zu können, was, wann, wo und mit wem ich will (oder nicht). Diese absolute Freiheit und Ungebundenheit hat immense unschätzbare Vorteile. Auf der anderen Seite ist mir aber auch klar, von nichts kommt nichts und selbst und ständig sind keine leeren Redensarten, sondern nackte Tatsachen in meiner Realität. Dennoch bin ich felsenfest davon überzeugt, dass nur Selbstbestimmung und Eigenverantwortung unabdingbare Voraussetzungen für ein erfülltes Arbeitsleben sein können. Grund genug, das System Arbeit von meiner Warte aus zu hinterfragen bzw. ein paar (durchaus kontroverse) Thesen in den Raum zu stellen.
Herkömmliche Arbeitsmodelle und Firmenkulturen halten mit den sich wandelnden Anforderungen nicht Schritt. Zu den größten Herausforderungen zählen die Digitalisierung sowie die Entwicklung neuer Konzepte. Die Kunst zukunftsfähiger Unternehmen wird es sein, weder rein betriebswirtschaftlich noch nur auf den Menschen zentriert zu denken. Es geht um Konzepte, die gleichzeitig die Mitarbeiterzufriedenheit und die Profitabilität steigern.
Grundbedürfnisse der modernen Arbeitswelt
Einige der wichtigsten Grundbedürfnisse, damit Arbeit als befriedigend eingestuft wird, sind Anerkennung + Respekt, Autonomie + Selbstbestimmung, persönliche Weiterentwicklung sowie soziale Eingebundenheit, Einfluss + Verantwortung. Zugesprochene Autonomie geht Hand in Hand mit einem Vertrauensvorschuss, der meist die intrinsische Motivation fördert und sich positiv auf das Arbeitserleben auswirkt. Autonomie kann aber auch überfordern und zu einem Rückgang des Engagements führen. Daher braucht es klare Grenzen. Beim Aspekt der sozialen Eingebundenheit sind neue Office-Konzepte gefordert, trotz zeitlicher und örtlicher Flexibilisierung Strukturen für informellen Austausch zu schaffen. Damit MitarbeiterInnen mehr Verantwortung übernehmen wollen, braucht es auch mehr Vertrauen und weniger Kontrolle.
Projektbezogene Zusammenarbeit
Menschen arbeiten heutzutage oft temporär bzw. unternehmensübergreifend zusammen. Sie werken nicht mehr nur primär für ein Unternehmen, sondern für eine coole, geile, abgefahrene Idee oder ein Projekt. Hierarchie, Organisationsrichtlinien, Arbeitszeitgesetze rücken in den Hintergrund. Die digitale Infrastruktur von Unternehmen wird dabei zu einem immer wichtigeren Wettbewerbsfaktor. Menschen, die unterschiedliche Tätigkeiten zeitlich so integrieren, dass am Ende des Monats in etwa das Einkommen einer klassischen Vollzeitbeschäftigung entsteht. Es ist en vogue und manchmal leider einfach notwendig, mehrere Jobs gleichzeitig zu machen. Das ist einerseits bedenklich, schafft andererseits aber Unabhängigkeit vom klassischen Arbeitgeber.
Flexibilisierung von Arbeit und Freizeit
Entgrenzte Arbeitszeit führt zu einer subjektiven Wahrnehmung von mehr Arbeit und leicht zu einem Gefühl der Überlastung, obwohl sich die effektiven Arbeitsstunden pro ArbeitnehmerIn in den letzten 50 Jahren nicht sonderlich stark verändert haben. Die Verteilung der verfügbaren Zeit auf Arbeit und Freizeit kann – richtig eingesetzt – aber auch zu einer besseren Work-Life-Balance beitragen. Durch die permanente Verfügbarkeit haben wir alle das Gefühl, ständig erreichbar sein zu müssen. Moderne Technologien erhöhen diesen Druck. Für viele bedeutet die zunehmende Flexibilität ein vermehrtes Arbeiten in die Freizeitstunden hinein, was unter anderem auch der Flexibilisierung der Arbeit geschuldet ist.
Arbeiten in der Wolke und Work-Life-Balance
Heute arbeiten wir schneller, flexibler und vernetzter und das zu jeder Zeit an jedem Ort. Moderne mobile Arbeitslösungen, der Zugriff auf die Cloud, machen’s möglich. Richtige Nutzung von IT-Lösungen kann unseren Arbeitstag erleichtern. Die Produktivität steigt, da man durch den Mobilitäts-Gewinnen den Zeitpunkt und Ort der Arbeit selbst bestimmen und sich so dem individuellen Produktivitätszyklus anpassen kann. Das kann große Vorteile im Hinblick auf eine verbesserte Work-Life-Balance bringen. Das Thema Cloud-Computing und mobiles Büro ist unumgehbar für modernes Arbeiten. Arbeiten von überall und der Zugriff auf die eigenen Geschäftsdaten von unterwegs wird immer unentbehrlicher. Lösungen gibt es viele. Es ist aber wichtig, diese für den eigenen Bedarf nutzbar zu machen und sinnvoll anzuwenden. Ich sage zum Beispiel oft und ganz bewusst: “Ich bin der Meinung, das Handy gehört mir und nicht ich ihm!” Und damit ich das nicht vergesse, ist mein Mobiltelefon nahezu immer auf lautlos gestellt.
Arbeitsintensivierung und Möglich-Macher-Kulturen
Wir sind auf der Schwelle von einer stabilen zu einer instabilen Welt. Dies ist ein Stressor für die Lebensqualität jeder/-s Einzelnen. Durch die globalisierten Märkte wird das Konkurrenzdenken stärker und der Wettbewerb verschärft sich. Steigender Druck und Wettbewerb führen zu erhöhter Arbeitsintensivierung. Arbeitsintensivierung wird in der Regel als Belastung erlebt und in Dienstleistungs- und wissensbasierten Jobs subjektiv stärker wahrgenommen. Städte gewinnen weiter an Bedeutung. Dem steht der Wunsch nach urbanem und ökologischem Lifestyle gegenüber. Vernetzt, teamfähig, flexibel sind die Eigenschaften im digitalen Zeitalter. Es gilt in Lebensphasen zu denken, nicht mehr nur in Altersgruppen. Mobiles Arbeiten entzieht sich dem üblichen Kontrollmechanismen. Es funktioniert nur, wenn das Endergebnis zählt und der Weg dorthin der/m jeweiligen MitarbeiterIn überlassen wird. Gute Unternehmenskulturen sind Möglich-Macher-Kulturen, in denen Spaß an der Arbeit, Gestaltungsraum und Hausverstand zählen und die sich von den üblichen Standards nicht beeindrucken lassen.
Kennzeichen erfolgreicher Unternehmenskulturen
Als Merkmal für Unternehmen die ihre Kultur bereits gut in Richtung aktueller Rahmenbedingungen ausrichten, gelten Unternehmen, die die Vision und Strategie ihres Unternehmens hervorheben. Es ist gut, wenn MitarbeiterInnen die Werte und Visionen verstehen. Es wäre aber wichtig, wenn alle diese Vision auch als inspirierend empfänden. Erfolgreiche Unternehmenskulturen tun also gut daran, ihre MitarbeiterInnen stärker in die Entwicklung der Vision mit einzubinden. Denn was ausschließlich von oben kommt, deckt sich selten mit dem, was unten gelebt wird. (Zitat Peter Drucker:) “culture eats strategy for breakfast”. MitarbeiterInnen muss transparent gemacht werden, was ihr Anteil an der Nutzenstiftung für den Unternehmenserfolg ist. Daraus resultierende Erfolge soll(t)en natürlich auch gemeinsam gefeiert, honoriert und belohnt werden.
Begeisterungsfähigkeit in permanentem Beta-Stadium
Es gilt, den Stellenwert der Unternehmenskultur höher anzusetzen als bisher und ein Umfeld zu schaffen, das möglichst viele Menschen befähigt, ihre besten Seiten weiterzuentwickeln. Internal Branding richtet Kommunikation, Personalmanagement und Führung an den Kernwerten der Marke aus. Resonanz-, Gestaltungs- und Begeisterungsfähigkeit werden wohl die Schlüsselhaltungen sein, die man künftig entwickeln muss. Werte und Haltungen des Unternehmens müssen zu jenen des Mitarbeiters passen. Sonst kommt der Job nicht infrage oder man geht schnell wieder. Ein/e gute/r MitarbeiterIn bekommt anderswo einen besseren Job? Gratulieren, erbrachte Leistungen sichtbar machen, stolz sein und eine Abschiedsparty schmeißen. “Talente” werden sich immer durchsetzen. Das sind diejenigen, die wach, aufgeweckt, unternehmerisch sind und das Leben in permanentem Beta-Stadium als inspirierenden Normalzustand empfinden.
(Anmerkungen: Nachdem man sich mit fremden Federn zwar durchaus schmücken, aber nicht mit ihnen fliegen kann – siehe Ikarus – möchte ich zu diesem News-Beitrag folgendes anbringen: In den Aussagen und Betrachtungen in diesem Artikel sind nicht nur meine eigenen Gedanken, sondern auch eine Zusammenfassung einiger Kernaussagen aus zahlreichen Beiträgen, die ich zu diesem Thema anderswo gelesen, zusammen gesammelt und neu aneinander gereiht habe enthalten.)
[Quellenangaben: APA; Deloitte-Report “Global Human Capital Trends 2016 – The new organization: Different by design”; Artikel: “DNA – DasNeueArbeiten – Sind Unternehmen reif für die neuen Arbeitswelten?”, in: Personalmanager 6/2015; Interviews mit Mag. Sabine Groblschegg und Mag. Barbara Covarrubias Venegas; Vortrag in der WK-Wien zum Thema “Arbeit im Wandel: Chance und Herausforderungen in der modernen Arbeitswelt” von Univ.Prof. Dr. Christian Korunka – Institut für Angewandte Psychologie: Arbeit, Bildung, Wirtschaft, Universität Wien im Rahmen des uniMind|Projektjahrs 2015/16 zum Thema “Gesellschaft im Wandel”; “Führen mit Hirn – Mitarbeiter begeistern und Unternehmenserfolg steigern” von Sebastian Purps-Pardigol; “Content vor Kontrolle”, Gast-Beitrag von Karin Krobath in “Training. Das Magazin für Weiterbildung und HR-Management”, Nr. 4, Juni 2016, S. 42, zum Thema Employer Branding; “Das moderne Büro: Arbeiten in Wolken” von Martin Zeiml, “Office 365 Cloud Adoption and Risk Report” von Skyhigh Networks aus Artikel von Line od Biz, 2016, aus einer Microsoft Online-Befragungs-Zusammenfassung.]